REINRAUM PHYSIKALISCHES INSTITUT
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KONDENSIERTE MATERIE icon research group

Kondensierte Materie

Die Physik der kondensierten Materie beschäftigt sich mit allen Aspekten der makroskopischen und mikroskopischen physikalischen Eigenschaften der Materie. Die Forschung an der Universität Heidelberg umfasst ein breites Spektrum an physikalischen Phänomenen und mathematischen Konzepten sowohl in Quanten- als auch in klassischen Systemen und reicht von der grundlegenden Vielteilchenphysik über Quantenmaterialien bis hin zu Materialwissenschaften und modernen Technologien. Sie umfasst grundlegende Fragen, die für unser Verständnis der Quantenmechanik von zentraler Bedeutung sind, wie z.B. unkonventionelle Ordnungsphänomene und das Verständnis komplexer Mehrkörper-Quantensysteme sowie Aspekte der Oberflächenwissenschaft und Nanomaterialien.

Kondensierte Materie bei tiefen Temperaturen

Das Vorhandensein von Unordnung beeinflusst die Dynamik von Nichtgleichgewichts-Quantensystemen stark und führt zu einer Vielzahl einzigartiger Phänomene, die bei extrem niedrigen Temperaturen mit neuen Methoden untersucht werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf physikalischen Realisierungen solcher Systeme wie amorphen Festkörpern, ungeordneten Kristallen und Spin-Gläsern. Grundlegende Fragen zum Zusammenspiel von Unordnung und Vielteilchenwechselwirkung, zur mikroskopischen Natur tiefliegender Zustände, zu den Relaxations- und Dekohärenzkanälen, zur dissipativen Dynamik sowie zum Auftreten komplexer kollektiver Moden werden untersucht. Aktuelle Projekte konzentrieren sich auf den überraschenden Einfluss der nuklearen Freiheitsgrade auf die Dynamik atomarer Tunnelsysteme in strukturell ungeordneten Systemen wie Mehrkomponentengläsern und Polymeren. Insbesondere werden das nichtlineare Verhalten und die Phasenkohärenz solcher Systeme untersucht.

Kondensierte Materie bei tiefen Temperaturen (Gruppe: C. Enss)

Quantensensoren und supraleitende Elektronik

Quantensensoren auf der Grundlage von kryogenen Mikrokalorimetern haben in den letzten Jahren einen Entwicklungsstand erreicht, der sie zu einer Schlüsseltechnologie für den Nachweis einzelner Photonen und Teilchen in vielen Bereichen der Physik und für eine Vielzahl von Anwendungen macht. Metallisch-magnetische Kalorimeter (MMC) sind eine spezielle Variante solcher Detektoren, die in der Lage sind, die Energie einzelner Röntgen- und Gammastrahlenphotonen mit einer Genauigkeit von besser als einem Teil pro viertausend zu messen, wobei sie eine gute Quanteneffizienz und spektrale Linearität aufweisen. Dies macht sie zu einem idealen Werkzeug für die Ultrapräzisionsspektroskopie in einem sehr breiten Energiebereich. Zu den Anwendungen gehören die Röntgenastronomie, die Messung der Lamb-Verschiebung hochgeladener Ionen, die nukleare Forensik und die Quantenmetrologie. Darüber hinaus spielen die in Heidelberg entwickelten MMCs eine Schlüsselrolle in Experimenten der Teilchenphysik, wie dem ECHo-Projekt, das die Neutrinomasse über das Elektroneneinfang-Spektrum von 163Ho bestimmen will, und AMoRE, das nach dem neutrinolosen Doppel-Beta-Zerfall von 100Mo sucht.

Die Arbeiten an den MMCs umfassen den Entwurf des Detektors, die Entwicklung der erforderlichen Mikrofabrikationsprozesse, den Entwurf der kryogenen Umgebung, die Herstellung und Charakterisierung des Detektors sowie die Entwicklung der erforderlichen Ausleseelektronik. Für letztere ist die supraleitende Elektronik eine Schlüsselkomponente, die für eine optimale Anpassung an MMCs entworfen und hergestellt wird. Um die Anforderungen an eine hohe spektrale Auflösung zu erfüllen, sind SQUID-Verstärker mit Rauschtemperaturen nahe der Quantengrenze erforderlich. Mikrowellen-SQUID-Multiplexer werden für das Auslesen großer MMC-Detektorarrays mit mehreren hundert Pixeln entwickelt.

Quantum sensors and superconducting electronics
(Group: C. Enss)
(Group: Priv. Doz. L. Gastaldo)


 

Hybride und organische Geräte

Eine der Hauptattraktionen molekularer organischer Materialien besteht darin, dass ihre Eigenschaften in der Regel durch strukturelle Veränderungen eingestellt werden können. Darüber hinaus führt der Kontrast zwischen starker intra-molekularer Bindung und schwacher inter-molekularer Wechselwirkung zur Bildung komplexer hierarchischer Strukturen oder Morphologien in Massen- oder Dünnschichtmaterialien. Diese Strukturen führen wiederum zu einer Fülle interessanter und oft neuartiger Eigenschaften. Der Schwerpunkt der Gruppe liegt auf der Untersuchung der elektronischen Eigenschaften von organischen und hybriden Materialien, die letztlich als aktive Schicht in neuartigen Bauelementen verwendet werden können. Ein wiederkehrendes Forschungsthema ist die Rolle, die verschiedene Arten von Unordnung spielen. Zu den von uns untersuchten Bauelementen gehören Solarzellen, Thermogeneratoren, Gleichrichter, binäre und neuromorphe Speicher sowie Aktoren/Wandler. Obwohl wir eine Gruppe für Experimentalphysik sind, kombinieren wir häufig experimentelle Arbeiten mit numerischen Studien.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unser Ziel darin besteht, die Kette von den grundlegenden Materialeigenschaften bis hin zu prinzipiengeprüften Bauelementen abzudecken und dabei spezifische Stärken und Eigenschaften organischer Materialien zu nutzen.
 

Hybride und organische Geräte (Gruppe: M. Kemerink)

Korrelierte (&) Quantenmaterialien

Die Quantennatur von Materie und die Unschärferelation haben enorme Konsequenzen für reale Materialien, da sie einerseits Anwendungsmöglichkeiten z.B. in Nanotechnologien limitieren, andererseits aber auch ganz neue Möglichkeiten durch neuartige und unverstandene Phänomene eröffnen. Zukünftige Technologien werden daher auf neuen Quantenmaterialien basieren. Quantenphänomene sind bei tiefen Temperaturen besonders ausgeprägt, da dort diskrete Energieniveaus nicht durch thermische Effekte verwischt werden; in vielen Fällen wie Magnetismus oder der Supraleitung sind sie auch bei höheren Temperaturen bis zur Raumtemperatur von hoher Relevanz. Die Arbeitsgruppe „Correlated (&) Quantum Materials“ untersucht experimentell neue Quantenmaterialien, die in magnetischen Molekülen, ein- oder zweidimensionalen Systemen oder komplexen Materialien mit mehreren - potenziell konkurrierenden - Freiheitsgraden realisiert sein können. Grundbausteine ​sind in vielen Fällen niedrigdimensionale und/oder geometrisch frustrierte magnetische Unterstrukturen, in denen Quanteneffekte besonders ausgeprägt sind. Schlüsselfragen betreffen die Entstehung von Ordnung(en) in Quantenmaterialien, ihre ungewöhnlichen Eigenschaften und Anregungen sowie Quantengrundzustände wie unkonventionelle Supraleitung, elektronische nemantische Ordnung oder Quantenmagnetismus, die die Standardtheorie herausfordern und somit unser Verständnis von Quanten-Vielteilchensystemen erweitern. Unsere angewandte Materialforschung zu Energiespeicher- und Batteriematerialien zeigt darüber hinaus sehr schön, wie Grundlagenforschung direkt mit technologischen Anwendungen verknüpft ist.

Electronen-Korrelationen und Magnetismus (Gruppe: R. Klingeler)

 

Theorie der Spektroskopie, Dynamik und numerische Methoden für komplexe Materialien

Unser Ziel ist es, das grundlegende Verständnis von Vielkörper-Quantenmaterialien voranzutreiben. Wir konzentrieren uns nicht nur auf die Beschreibung des Grundzustands dieser Systeme, sondern behandeln auch die dynamischen Eigenschaften und Anregungen. Wir konzentrieren uns auf die Erweiterung unserer Möglichkeiten zur Durchführung quantitativer Berechnungen von Anregungen durch Licht im Terahertzbereich bis hin zur Röntgenspektroskopie. Die Berechnungen werden für Massenkristalle, (topologische) Oberflächen, Grenzflächen, dünne Filme, Verunreinigungszentren oder die aktiven Zentren in vielen der bekannten Enzyme und Katalysatoren durchgeführt. Von besonderem Interesse ist die Wechselwirkung zwischen lokalen verschränkten elektronischen Zuständen und Multipletts, wie man sie bei Übergangsmetall- und Seltenerdzentren in Wechselwirkung mit delokalisierten Zuständen sieht. Oft besitzen solche Systeme eine große Anzahl elektronischer Freiheitsgrade mit niedriger Energie, die für ihr reiches physikalisches Verhalten verantwortlich sind. Dieses Verhalten macht diese Materialien nicht nur interessant, sondern auch schwierig zu verstehen. In unserer Gruppe verwenden wir eine Vielzahl verschiedener Methoden.

Gruppe: M. Haverkort