23.9.2011
Vom 25.–28. September 2011 findet im Internationalen Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg ein Internationales Symposium über die „PT-symmetrische“ Quantenmechanik statt. Dreißig geladene Gäste aus acht Ländern werden den theoretischen und experimentellen Stand dieses neuen Bereichs der Quantenmechanik präsentieren und diskutieren.
Die moderne Physik ist stark geprägt von Erkenntnissen der Quantentheorie, die bereits in den dreißiger Jahren, insbesondere durch Paul Dirac, Werner Heisenberg, Max Planck und Erwin Schrödinger, gemünzt wurden. Über die Jahre wurden die Vorhersagen der Quantentheorie mit unglaublicher Präzision experimentell bestätigt, in allen Aspekten ist sie verblüffend und korrekt. Heute ist sie aus unserem Alltag nicht mehr weg zu denken.
Dennoch ist es Aufgabe der Physiker, die Richtigkeit der Grundannahmen der Theorie immer wieder neu zu überprüfen. Dabei gab es 1998 eine überraschende Entdeckung: Zurückgehend auf Dirac nahmen Physiker bis zu diesem Zeitpunkt an, dass stabile Systeme, deren Energie messbar ist, „Hermitesch“ sein müssten. Unter „Hermitesch“ versteht man eine besondere mathematische Eigenschaft, die vom französischen Mathematiker Charles Hermite definiert und nach ihm benannt wurde. Bei genauerer Betrachtung jedoch stellte sich heraus, dass auch nicht-Hermitesche Systeme reelle Energien haben können, wenn sie eine zusätzliche Symmetrie aufweisen. Eine besondere Klasse solcher Quantensysteme ist eine, die sich bei einer Spiegelung in der Raumzeit nicht ändern (invariant sind). Ein System, welches so gespiegelt wird, dass links zu rechts wird und die Zeit rückwärts läuft, und trotzdem unverändert erscheint, nennt man „PT-symmetrisch“. Genau diese Klasse von Systemen ist heute höchst interessant und steht im Mittelpunkt dieses Symposiums, denn Wissenschaftler wissen heute, dass diese Entdeckung mehr als nur eine Erweiterung der herkömmlichen Quantenmechanik ist.
Seit ihrer Entdeckung wurden über 1000 wissenschaftliche Artikel zur „PT-symmetrischen, nicht-Hermiteschen“ Quantenmechanik publiziert. Eine Reihe von internationalen Physikfachtagungen hat sich alleine diesem Thema gewidmet, u.a. in London, Bologna, Prag sowie in der Türkei, Südafrika, Israel, China, Indien und Japan. Die erstaunlichsten Entwicklungen der PT-symmetrischen Quantenmechanik sind jedoch in den letzten zwei Jahren zu verzeichnen. Mit immer raffinierteren Ansätzen versuchen Physiker nun die theoretischen Voraussagen der neuen PT-Quantenmechanik auf den Prüfstand zu stellen. Mit vielfältigsten Techniken, wie z.B. mittels optischer Wellenleiter, Mikrowellenhohlraumresonatoren, atomarer Diffusion, Graphen, Kernspinresonanz, Lasern, Supraleitern und Bose-Einstein-Kondensaten, werden die Theorie und ihre Konsequenzen experimentell untersucht. Im Rahmen des in Heidelberg stattfindenden Symposiums werden führende Theoretiker und Experimentalphysiker ihre neuesten Ergebnisse vorstellen und diskutieren.
Während PT-symmetrische Quantenmechanik die wesentlichen Merkmale der Quantenmechanik nicht in Frage stellt, weist sie seltsame und unerwartete Eigenschaften auf. Beispielsweise kann ein PT-symmetrisches optisches System unidirektionale Unsichtbarkeit zeigen – von links kann das Objekt betrachtet werden, von rechts jedoch nicht. PT-symmetrische Quantenmechanik bietet die Möglichkeit, neue Arten von Geräten, wie optische Schaltungen, oder neue synthetische Materialien, wie PT-symmetrisches Graphen, zu entwickeln. Auf der theoretischen Seite könnte PT-symmetrische Quantenmechanik interessante Alternativen zu den aktuellsten und offenen Fragen der Physik bieten: Gibt es einen Higgs-Mechanismus ohne Higgs, ein Universum ohne dunkle Materie? Wie quantisiert man Schwerkraft? Warum gibt es mehr Materie als Antimaterie im Universum? In Zeiten, in denen das Fenster für neue Entdeckungen in der Physik durch Untersuchungen an den größten Teilchenbeschleunigern der Welt immer kleiner wird, kann uns die PT-symmetrische Quantenmechanik womöglich auf die Quantensprünge helfen.
Das Symposium wird von Carl Bender, Professor an der Washington University, St. Louis, und „Joint Professor“ der Universität Heidelberg, sowie den Heidelberger Physikern Priv.-doz. Maarten DeKieviet und apl. Prof. Sandra Klevansky organisiert. Das Symposium wird gefördert von der Heidelberger Graduiertenschule für Fundamentale Physik, einer Exzellenzeinrichtung des Bundes und der Länder.