23.9.2025
Mit Dr. Johanna Schwarz hat die Fakultät für Physik und Astronomie seit Kurzem eine neue Geschäftsführerin. Im Interview mit Tina Kuka, Koordinatorin am SFB 1225 ISOQUANT, spricht sie über ihre Motivation, ihre ersten Eindrücke an der Fakultät und darüber, welche Impulse sie in ihrer neuen Rolle setzen möchte.
Tina Kuka: Dein beruflicher Weg führte dich von der Geologie über das Wissenschaftspublishing bis hin zum Hochschultransfer. Kannst du diesen Weg noch einmal kurz für uns nachzeichnen?
Johanna Schwarz: Ich habe Geologie studiert und in Bremen im Bereich Paläo-Ozeanographie promoviert. Danach bin ich ins wissenschaftliche Verlagswesen eingestiegen – zunächst in Bristol bei Institute of Physics Publishing (IOPP), später bei Springer Nature in Heidelberg, wo ich zwölf Jahre internationale Programme in den Geo- und Umweltwissenschaften betreut habe.
Anschließend wechselte ich zu hei_INNOVATION, um den Technologie- und Wissenstransfer in den Natur- und Ingenieurwissenschaften an der Uni Heidelberg voranzutreiben. Dort habe ich Netzwerke aufgebaut, neue Formate entwickelt und Forschende bei der Umsetzung ihrer Projekte unterstützt. Besonders spannend war, dass wir neben Patenten und Start-ups auch Themen wie Nachhaltigkeit und Wissenschaftskommunikation vorangebracht haben.
Und dann kam der Schritt in die Geschäftsführung der Fakultät für Physik und Astronomie. Was hat dich an dieser neuen Aufgabe besonders angesprochen?
Physik begleitet mich eigentlich schon mein ganzes Leben. Mein Vater ist Physiker, zwei meiner Brüder ebenfalls – auch wenn ich selbst aus einer anderen Fachrichtung komme, hat mich das Thema immer fasziniert. Durch meine Arbeit bei hei_INNOVATION kannte ich die Fakultät bereits gut und wusste, dass hier eine tolle Stimmung herrscht und viel Potenzial vorhanden ist.
Die Position hat mich deshalb angesprochen, weil sie vieles verbindet, was mich ausmacht: meinen naturwissenschaftlichen Hintergrund, strategische und organisatorische Fähigkeiten aus der Verlagszeit, Erfahrung im Wissenstransfer sowie ein gewachsenes Netzwerk an der Universität. All das an einer Fakultät, die ich bereits kannte und an der ich sofort anknüpfen konnte – das passte einfach perfekt.
Du bist seit April 2025 im Amt – wie hast du deine Anfangszeit an der Fakultät erlebt?
Sehr, sehr positiv. Ich habe mich vom ersten Tag an wohlgefühlt und wurde unglaublich herzlich aufgenommen. Viele Kolleginnen und Kollegen haben mich gleich eingeladen, ihre Institute kennenzulernen und mehr über ihre Arbeit zu erfahren. Die ersten Wochen habe ich vor allem genutzt, um mich zu orientieren, viele Gespräche zu führen und mich zu vernetzen – das ist mir persönlich sehr wichtig und in diesem Job auch essenziell.
Besonders spannend war es, die Vielfalt und besonderen Orte unserer weit verzweigten Fakultät kennenzulernen. Dabei bin ich auf so manch verborgene Orte, historische Schätze und Anekdoten gestoßen, die selbst innerhalb der Fakultät kaum bekannt sind. Das sollte sich unbedingt ändern – diese Schätze und Geschichten gehören ans Licht! Sie könnten dabei helfen, allen Interessierten außerhalb der Fakultät zu zeigen, welch großartige Menschen die Physik in Heidelberg geprägt haben, und wo und wie sie in den unterschiedlichsten Zeiten hier gewirkt haben; und ich habe auch schon die eine oder andere Idee, wie wir das bewerkstelligen könnten.
Was macht die Rolle der Geschäftsführerin für dich aus – und wie gestaltest du die Balance zwischen Verwaltung, Strategie und Unterstützung?
Auch wenn Verwaltung von außen manchmal trocken wirkt, empfinde ich sie keineswegs so. Ich scheue den verwalterischen Teil der Aufgabe überhaupt nicht – im Gegenteil, er ist essenziell, um einen so großen Betrieb wie unsere Fakultät am Laufen zu halten. Und ich habe das wirklich große Glück, mit einem hochengagierten Team arbeiten zu dürfen.
Gleichzeitig sehe ich meine Rolle aber auch als Gestalterin: Neben dem reibungslosen Betrieb möchte ich Themen voranbringen, die universitätsweit an Bedeutung gewinnen – etwa Diversität, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Für mich bedeutet Geschäftsführung vor allem: Strukturen erkennen, Überblick bewahren, Potenziale sehen und Wandel ermöglichen.
Digitalisierung ist ein gutes Beispiel: Sie kann Prozesse verbessern und Arbeitsweisen vereinfachen, aber die konsequente Umsetzung braucht Mut, Klarheit, Koordination und ein smartes Change-Management. Ich sehe mich hier als jemanden, der vermittelt, moderiert und Impulse setzt – wenn es sich anbietet oder nötig ist.
Strategisch arbeite ich eng mit dem Fakultätsvorstand zusammen, um die kurz-, mittel- und langfristige Ausrichtung der Fakultät aktiv mitzugestalten. Diese Verbindung aus Verwaltung und Gestaltung macht für mich den besonderen Reiz der Aufgabe aus. Die Unterstützung der Studierenden, Forschenden und Mitarbeitenden steht dabei immer an erster Stelle.
Das Dekanat stellt meiner Ansicht nach eine wichtige Schnittstelle dar – intern zwischen den Instituten und zu Partnern wie den Max-Planck-Instituten, und extern zu anderen Fakultäten, zur zentralen Universitätsverwaltung und darüber hinaus. Gerade an diesen Schnittstellen können wir in der sogenannten „dezentralen Verwaltung“ Brücken schlagen und gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln.
Was macht für dich gute Führung aus – und wie möchtest du das als Geschäftsführerin konkret leben?
Ich hatte das Glück, von inspirierenden Führungspersönlichkeiten zu lernen, und möchte diese Erfahrungen nutzen, um eine positive und nachhaltige Führungskultur an unserer Fakultät zu fördern. Für mich basiert gute Führung auf Fairness, Ehrlichkeit und Transparenz. Besonders wichtig ist mir partizipative Führung – also alle mitzunehmen und einzubeziehen – sowie die Fähigkeit zur Selbstreflexion, um offen für Feedback zu bleiben.
Das Thema Führung gewinnt an der Universität zunehmend an Bedeutung, und ich würde mich freuen, wenn unsere Fakultät hier eine Vorreiterrolle übernehmen könnte, gerade auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Unterstützungsstrukturen wie Bottom-up-Ansätze, die frühzeitig Führungskompetenzen vermitteln, oder Buddy-Programme, bei denen erfahrene Kolleginnen und Kollegen neue Führungskräfte begleiten, halte ich für besonders sinnvoll.
Ebenso entscheidend sind verlässliche Mechanismen für offene Kommunikation und konstruktive Konfliktlösung. An der Graduiertenschule besteht mit den „Supervision Guidelines“ bereits ein klares Verfahren mit definierten Anlaufstellen für den Fall eines Konflikts. Es wäre sinnvoll zu prüfen, ob ähnliche Strukturen auch für alle Mitarbeitenden und Studierenden eingeführt werden könnten, um eine Kultur des Respekts, der Offenheit und der gegenseitigen Unterstützung weiter zu stärken.
Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen für die Fakultät – und welche Chancen siehst du für die Weiterentwicklung?
Die größte Herausforderung sehe ich in der Gleichzeitigkeit und Komplexität unserer Aufgaben: Wir müssen Forschung auf höchstem Niveau ermöglichen, exzellente Lehre anbieten, technisch auf dem neuesten Stand bleiben und zugleich gut organisiert sowie nachhaltig wirtschaften.
Eine große Chance liegt in den zahlreichen Neuberufungen der letzten Jahre, die frischen Wind, neue Perspektiven und innovative Forschungsfelder in die Fakultät bringen. Auch die bereits vielfältige interdisziplinäre Zusammenarbeit birgt ein erhebliches Potenzial – etwa durch die Verbindung von Physik und Astronomie mit Mathematik, Medizin, Biotechnologie oder Umweltwissenschaften. In Einzelfällen könnten sogar Anknüpfungspunkte zu den Geistes- und Sozialwissenschaften neue Impulse für die Fakultät liefern. Nicht zuletzt wird uns die fortschreitende Digitalisierung – insbesondere die Potenziale der Künstlichen Intelligenz – in vielfacher Hinsicht bei der Weiterentwicklung unterstützen.
Auch wenn die Lehre nicht dein Hauptaufgabengebiet ist – wie hältst du den Kontakt zu den Studierenden, und welche Anliegen sind dir dabei besonders wichtig?
Der Kontakt zu den Studierenden ist mir sehr wichtig und gehört für mich zu den bereicherndsten Aspekten meines Jobs. Besonders schätze ich, dass Studierende in so vielen Gremien vertreten sind – vom Fakultätsrat bis zur Graduiertenschule – und wir ihre Perspektiven dadurch direkt in unsere Arbeit einbeziehen können. Ich möchte alle ermutigen, diese Chance aktiv zu nutzen und ihre Stimme einzubringen! Besonders inspirierend war für mich etwa der direkte Austausch bei Einladungen in den Fachschaftsrat oder ins Doktorandenkonvent – aus diesen Gesprächen nehme ich jedes Mal viele neue Impulse mit.
Wie kann unsere Fakultät dazu beitragen, Forschung und gesellschaftlichen Dialog stärker miteinander zu verbinden?
Physik und Astronomie sind faszinierende, aber oft komplexe Fachbereiche, die für viele Menschen schwer zugänglich erscheinen. Deshalb ist es wichtig, Wege zu finden, unsere Forschung verständlich und spannend zu vermitteln. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das gelingen kann, und zwar eben nicht nur in Form einseitiger Wissensvermittlung, sondern im echten Austausch. Ich finde, im Bereich Outreach können wir noch viel kreativer und mutiger werden. Auch und gerade in der Graduiertenschule möchte ich gerne den Nutzen – und auch den Spaß! – an effizienter Wissenschaftskommunikation vermitteln.
Um Wissens- und den ebenso wichtigen Technologietransfer nachhaltig zu stärken, sind allerdings neue Formen der Anerkennung und zusätzliche Ressourcen unerlässlich. Das kann die Fakultät nicht allein leisten – hier ist die Unterstützung der Universität gefragt, perspektivisch auch durch hochschulpolitische Entscheidungen. Mit meiner Erfahrung im Transferbereich kann ich hoffentlich aktiv dazu beitragen, diese Entwicklungen mitzugestalten und die Fakultät dabei zu unterstützen, offen für neue Ideen und Wege zu bleiben.
Vielfalt und Inklusion sind wichtige Themen für die Fakultät. Welche Impulse möchtest du setzen, um diese Werte weiterhin zu stärken und weiterzuentwickeln?
Es ist mir persönlich wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende und Studierende gut aufgehoben fühlen. Dabei geht es nicht nur um Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch um soziale Herkunft, kulturellen Hintergrund, Alter oder unterschiedliche körperliche und psychische Voraussetzungen. Ziel ist es, Vielfalt als selbstverständlichen Bestandteil unserer Fakultätskultur zu verankern.
Erfahrungen aus meinen früheren Tätigkeiten zeigen, dass Interessengruppen oder Communities hilfreich sein können, um den Austausch zu fördern und die Vernetzung zu stärken. Darüber hinaus könnte ein externer Audit eine wertvolle Unterstützung sein, um die Situation zu reflektieren und mögliche Verbesserungen gezielt einzuleiten. Ich freue mich darauf, diese Impulse in meiner Rolle einzubringen und gemeinsam Wege zu finden, wie wir Vielfalt und Inklusion weiterhin fördern können.
Du engagierst dich ehrenamtlich im kulturellen Bereich. Welche Rolle spielt Musik – oder Kultur insgesamt – in deinem Leben?
Musik begleitet mich schon mein ganzes Leben, besonders das gemeinsame Singen. Die Proben mit dem Bachchor Heidelberg sind für mich ein wichtiger Ausgleich, und als Vorsitzende engagiere ich mich zudem in der Heidelberger Kulturszene sowie in der Chorszene auf verschiedenen Ebenen.
Dieses Ehrenamt ist mir wichtig, weil es eine wertvolle Aufgabe darstellt, die mir selbst viel zurückgibt. Spannend finde ich auch die Verbindung von Kultur und Wissenschaft: Ein gelungenes Beispiel ist das Artist-in-Residence-Programm unserer Fakultät, das Kunst und Forschung auf besondere Weise zusammenbringt. Solche Synergien zwischen Wissenschaft und Kultur bergen enormes Potenzial, das wir mit der Vielfalt unserer Fakultät – von modernen Laboren bis hin zu historischen Orten – noch stärker nutzen könnten.
Gibt es ein Projekt oder Thema, das dir ganz besonders am Herzen liegt – und das du unbedingt anstoßen möchtest?
Ein ganz konkretes Projekt ist die Wiedereinführung einer Abschlusszeremonie für unsere Masterstudierenden. Ich finde, eine feierliche Verabschiedung ist wichtig, um den Abschluss gebührend zu würdigen und die Absolventinnen und Absolventen symbolisch „in die Welt zu schicken“. Dieses Ritual würde ich gern wieder etablieren.
Langfristiger gedacht fände ich es auch für eine Fakultät wie unsere wertvoll, ein gemeinsames Leitbild zu entwickeln – eine Vision, die Orientierung gibt und wirklich alle Mitglieder einbezieht und motiviert. Da kommt wohl meine unternehmerische Vergangenheit durch: In diesem Umfeld sind klare Ziele selbstverständlich. Auch wir könnten damit unsere Werte sichtbar machen und die Zusammenarbeit zwischen Studierenden, Forschenden, Verwaltung und Technik stärken.
Ein besseres Schlusswort hätte ich nicht für unser Interview finden können. Ich bedanke mich für deine Zeit und das offene Gespräch.