10.7.2025
Seit Kurzem ist Julian Schmitt Teil des Kirchhoff-Instituts für Physik – und bringt frischen Wind in die Quantenoptik. Mit seiner neuen Forschungsgruppe Optische Quantensysteme will er herausfinden, wie sich Licht und Materie im Quantenbereich verhalten. Im Zentrum steht dabei eine ziemlich spannende Frage: Wie lassen sich Quantenzustände von Licht gezielt erzeugen, kontrollieren und verstehen?
Bevor er die Professur in Heidelberg übernommen hat, war Julian Schmitt mehrere Jahre als Nachwuchsgruppenleiter an der Uni Bonn tätig – dort hat er auch promoviert. Dazwischen zog es ihn für einen Postdoc-Aufenthalt an die Uni Cambridge. Jetzt ist er zurück in Deutschland und freut sich auf neue Herausforderungen – im Labor, im Hörsaal und mit seiner Gruppe.
Johanna Schwarz, Geschäftsführerin der Fakultät, hat mit ihm über seine Forschung und seine Pläne in Heidelberg gesprochen:
Johanna:Julian, du bist nun seit gut sechs Monaten hier an der Uni Heidelberg - hast du dich schon gut eingelebt?
Julian:Ja, total! Heidelberg ist ja auch eine Stadt, die man vorher schon irgendwie kannte – sei es vom privaten Besuch oder aus der Wissenschaft. Ich war z.?B. als Doktorand mal bei einer DPG-Tagung hier – das war eine schöne Zeit und ist mir in guter Erinnerung geblieben. Jetzt ist es natürlich nochmal etwas anderes, wenn man wirklich hier lebt. Die Stadt hat einfach total viel zu bieten: die Natur drumherum, die Berge direkt vor der Tür, der Fluss – man kann viel entdecken, viel draußen machen. Es ist lebendig, und ich finde: einfach schön.
Johanna:Du warst vorher an der Uni Bonn – was bedeutet der Schritt nach Heidelberg für dich?
Julian:Es war ein logischer nächster Schritt – aber natürlich auch ein großer. In Bonn habe ich in meiner Zeit als Nachwuchsgruppenleiter daran geforscht, Ideen aus meiner Postdoc-Zeit in Cambridge weiterzuentwickeln, wo ich mit ultrakalten atomaren Gasen gearbeitet habe – also Quantenmaterie. Ziel war es, diese Konzepte auf ‚Systeme aus Licht‘ zu übertragen. Das Spannende: Das geht bei Raumtemperatur – man muss also nicht mehr so extrem kühlen wie bei Atomen. Mit einem ERC Starting Grant konnten wir diese Richtung weiter vertiefen, etwa im Hinblick auf topologische Phänomene.
Jetzt als Professor habe ich natürlich nochmal ganz andere Möglichkeiten: mehr Freiraum, mehr Gestaltungsspielraum, aber auch mehr Verantwortung. Das bedeutet, ich kann etablierte Themen wie die Quantenlichtgase oder die Topologie weiterführen – aber auch neue Wege gehen. Ein Thema, das wir hier in Heidelberg starten wollen, ist das physikalische Computing. Die Ausschreibung der Professur war ja auch genau zu diesem Thema – da geht es um die Idee, optische Systeme zu entwickeln, die bestimmte Optimierungsprobleme sehr effizient lösen können. Also quasi Rechner aus Licht – und das finde ich total spannend!
Johanna:Was wirst du hier konkret forschen – und was dürfen die Studierenden von dir in deinen Vorlesungen erwarten?
Julian:In der Forschung wollen wir zwei große Fragen angehen: Zum einen interessiert uns das Phänomen der Suprafluidität – also reibungsfreier Fluss. Das kennt man von Quantenflüssigkeiten bei tiefen Temperaturen, aber wir wollen schauen, ob sich so etwas auch mit Licht bei Raumtemperatur realisieren lässt und welche Rolle die Topologie dabei spielt. Das wäre wirklich etwas Besonderes. Und zum anderen, wie gesagt, das Thema Computing: Können wir Systeme bauen, die z.?B. komplexe Optimierungsprobleme wie das berühmte Traveling Salesperson Problem sehr schnell lösen?
In der Lehre ist meine ‚Home Zone‘ die Quantenoptik – also alles, was mit Licht und seiner Wechselwirkung mit Materie unter quantenmechanischen Bedingungen zu tun hat. Das heißt, ich werde Vorlesungen zu konventionellen Themen der Quantenoptik anbieten, aber auch Spezielleres zu Licht-Zuständen, Quantengasen aus Licht und Materie oder zur Quantensimulation. Und natürlich gibt’s auch Bachelor- und Masterarbeiten bei uns – von kleinen optischen Aufbauten bis hin zu komplexeren experimentellen Projekten. Da ist für viele Interessen was dabei.
Johanna:Wie knüpfst du mit deiner Forschung an die bestehenden Aktivitäten hier an der Fakultät an?
Julian:Ich würde sagen, unsere Forschung ist komplementär zu dem, was hier bereits gemacht wird – und gerade das eröffnet viele Möglichkeiten für fruchtbaren Austausch, ohne in Konkurrenz zu stehen. Es gibt hier spannende Gruppen, zum Beispiel die Kolleg:innen, die mit ultrakalten Gasen arbeiten – also die Gruppen Chomaz, Oberthaler, Jochim, Weidemüller. Die machen sehr ähnliche Physik wie wir, aber eben mit Atomen, wogegen wir mit Photonen arbeiten. Das ist eine andere Plattform, aber die grundlegenden Fragen – z.?B. zur Thermodynamik oder zu kollektiven Quantenzuständen – sind ähnlich.
Dann gibt es Gruppen wie die von Wolfram Pernice, die sich mit Photonik beschäftigen – also mit der Frage, wie man Licht möglichst gut leiten kann und wie sich damit Rechenprozesse umsetzen lassen. Das ist technologisch super spannend und kann für unsere Arbeit sehr hilfreich sein – wir profitieren da methodisch sehr.
Und weil wir uns auch mit Computing beschäftigen, gibt’s wiederum Anknüpfungspunkte zur theoretischen Physik und zur Informationswissenschaft – also zu der Frage: Was sind eigentlich die Klassen von Problemen, die wir mit unseren physikalischen Systemen lösen können? Letztlich sitzen wir da an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und anwendungsnahen Ideen. Und ich sehe mich auch ein bisschen als Verbindungspunkt zwischen den verschiedenen Forschungsbereichen hier an unseren Instituten.
Johanna:Und jetzt einmal ganz einfach – „Explain like I’m five“: Was macht ihr da eigentlich genau?
Julian:Wie bei Wasserdampf, der sich abkühlt und zu einem Tropfen kondensiert, machen wir das mit Licht: Wir sperren die Lichtteilchen in eine kleine Box, kühlen sie ab – und dann entsteht daraus eine Art Tropfen, aber eben aus Photonen.
Johanna:Du machst ja vor allem Grundlagenforschung – aber welchen gesellschaftlichen Impact könnte deine Forschung langfristig haben?
Julian:Wenn das mit dem physikalischen Computing klappt, dann hat das auf jeden Fall großes Potenzial. Es geht darum, mit Licht Systeme zu bauen, die Optimierungsprobleme, z.B. aus der Logistik, lösen können – schnell und energiesparsam. Gleichzeitig sind unsere optischen Systeme auch Lichtquellen mit Eigenschaften, die man in üblichen Lasern so nicht bekommt, z.?B. kontrollierbarer Kohärenz. Solche neuartigen Lichtquellen könnte man zum Beispiel für Abbildungsanwendungen oder als Beleuchtungsquellen in der Interferometrie verwenden.
Wenn wir andererseits verstehen, ob und wie sich Suprafluidität bei Raumtemperatur realisieren lässt, dann wäre das ein großer Schritt. Konzeptionell könnte das unser Verständnis von Supraleitung bei Raumtemperatur vorantreiben. Stromfluss ohne Verluste bei Raumtemperatur – das wäre revolutionär.
Johanna:Du sitzt im neuen EINC; ein tolles Gebäude, aber wenn man hier hereinkommt, fühlt es sich an manchen Stellen noch wie eine Baustelle an und die Flure sind ziemlich still – wie fühlt es sich an, als einer der Ersten hier zu starten?
Julian:Ich finde auch, es ist ein richtig schönes Gebäude – modern, hell, mit extrem viel Platz. Und genau das gibt uns auch die Möglichkeit, uns hier voll zu entfalten. Aber natürlich ist es am Anfang auch eine Herausforderung! Jetzt geht’s darum, das Gebäude mit Leben und die Labore mit Experimenten zu füllen – meine eigene Gruppe wächst gerade, und hoffentlich kommen auch bald noch andere Kolleg:innen dazu.
Idealerweise entsteht hier bald ein ähnlicher Spirit wie in den anderen Physikgebäuden. Klar, dort gibt es Hörsäle, das ist nicht eins zu eins vergleichbar. Ich wünsche mir, dass hier auch Leben reinkommt – dass Studierende unterwegs sind, dass es Aushänge gibt, dass mal eine Veranstaltung passiert. Wir haben hier im Gebäude zum Beispiel einen tollen Event Space, den wollen wir gerne aktiver nutzen – mit Workshops, mit Formaten, die auch mal eine größere Gruppe anziehen.
Generell ist es wichtig, dass sich das rumspricht: das EINC ist wirklich geöffnet, es ist ein Ort, an dem Forschung des Kirchhoff-Instituts passiert! Studierende sollen merken, das ist ein Gebäude, in das man reingehen und vielleicht ja auch irgendwann mitarbeiten kann. Auch Theoretiker:innen sind übrigens höchst willkommen, für wissenschaftlichen Austausch und Arbeit.
Johanna:Das klingt überaus attraktiv! Und wie spricht man das jetzt eigentlich korrekt aus – EINC?
Julian:(lacht) Am besten KIP-EINC – also wie die Ziffer „eins“.
Johanna:Jetzt mal ganz allgemein gefragt: was war dein letzter „Wow-Moment“ in der Forschung?
Julian:Ich habe neulich was gelesen, das fand ich total crazy: da haben Forschende es geschafft, bei lebenden Mäusen das Gewebe transparent zu machen, indem sie das Fell mit einem bestimmten fluoreszierenden Material eingerieben haben. Das hat den Brechungsindex verändert, und plötzlich konnte man durch das Gewebe durchsehen – also wirklich die Organe abbilden. Das fand ich ziemlich cool – vor allem, weil man das einfach wieder abwaschen kann, und danach ist alles wieder wie vorher. Aber auch, weil das gar nicht so weit weg von unserer Forschung ist – wir beschäftigen uns ja auch mit Farbstoffmolekülen.
Johanna:Was machst du eigentlich, wenn du mal nicht im Labor stehst?
Julian:Ich fahre sehr gerne Fahrrad – und das geht in Heidelberg richtig gut. Hier kann man sich aussuchen: Will ich in die Berge und ein bisschen Höhenmeter machen, oder gemütlich im Flachen fahren? Beides geht. Ich geh auch gern wandern, und was mir total Spaß macht: im Garten arbeiten. In Bonn hatten wir einen kleinen Schrebergarten, den mussten wir leider aufgeben. Aber hier haben wir zum Glück wieder ein kleines Gartenstück gefunden. Das ist einfach super zum Abschalten – draußen sein, was mit den Händen machen.
Johanna:Gibt es etwas, das dir den Start hier an der Fakultät weiterhin noch erleichtern würde? Irgendwelche Tipps und Tricks von den Kolleg:innen?
Julian:Mein Start wurde wirklich sehr offen und kollegial begleitet – das war großartig. Was jetzt besonders hilfreich bleibt, sind Ansprechpersonen für Fragen rund um die Vorlesungspraxis und die Formate, die sich hier an der Fakultät bewährt haben.
Und was ich spannend fände: mehr Geschichten zur Uni selbst! Heidelberg hat ja diese ganz alten Gebäude – Philosophenweg, Altstadt, Orte, wo Bunsen oder Kirchhoff gearbeitet haben… Ich finde, da steckt nicht nur Geschichte drin, sondern auch viele kleine Geschichten und Anekdoten. Darüber mehr zu erfahren, das wäre interessant!
Johanna:Vielen Dank, Julian, für das Gespräch – und nochmal herzlich willkommen an der Fakultät! Wir wünschen dir weiterhin einen guten Start, viel Freude beim Forschen, Lehren und Vernetzen – und natürlich beim Sammeln der kleinen und großen Geschichten, die Heidelberg und unsere Fakultät so besonders machen.